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Bauhaus-Film im Ersten: Brave Bastler

Foto: MDR/ Stanislav Honzik

ARD-Historienschrott "Lotte am Bauhaus" Verkitschungsbefehl von ganz oben

Zum 100. Jubiläum der Bauhaus-Gründung zeigt die ARD einen Spielfilm, der vor lauter Kitsch und Pseudo-Feminismus sein eigenes Ziel untergräbt: den Frauen am Bauhaus ein angemessenes Denkmal zu setzen.

Wenn Sie meinen, dass entweder Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe, alternativ Josef Albers, die Schlüsselfigur des Bauhaus war, dann lassen Sie sich 2019 vom deutschen Fernsehen eines Besseren belehren: Dörte Helm - ohne diese Frau geht in den fiktionalen TV-Aufbereitungen zum 100. Jubiläum der Bauhaus-Gründung nichts. Vor allem nicht im Bett.

Dorothea "Dörte" Helm gab es wirklich. Sie war Lehrling in der Wandmalerei- und Textilwerkstatt am Bauhaus in Weimar, arbeitete später auch als Grafikerin, bevor ihr als "Halbjüdin" 1933 Berufsverbot erteilt wurde und sie bis zu ihrem frühen Tod 1941 durch eine Infektionskrankheit nicht mehr gestaltend tätig sein durfte. Das Fernsehen interessiert sich allerdings nicht für ihr tatsächliches künstlerisches, sondern für ihr fiktives erotisches Wirken.

Im ARD-Spielfilm "Lotte am Bauhaus" (Buch: Jan Braren, Regie: Gregor Schnitzler) ist sie es, die einen libidinösen Keil zwischen das fiktive Pärchen Lotte und Paul treibt. Auch eine zweite öffentlich-rechtliche Fernsehproduktion, die Miniserie "Die neue Zeit", die Lars Kraume für das ZDF gedreht hat und die im Herbst 2019 ausgestrahlt werden soll, beschäftigt sich mit der Geschichte des Bauhaus. Sie stellt Dörte Helm sogar ganz in den Mittelpunkt - oder besser gesagt ihre Affäre mit dem ersten Bauhaus-Leiter Gropius, die zwar nicht belegt ist, aber dennoch über sechs Folgen ausgebreitet wird.

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Bauhaus-Film im Ersten: Brave Bastler

Foto: MDR/ Stanislav Honzik

Als Rahmenhandlung dient der Serie ein fiktives Interview mit Gropius, das eine Journalistin 1963 mit ihm in New York führt. Ihre dringendsten Fragen: Warum hatten es Frauen am Bauhaus trotz des propagierten Images als Ort der Gleichberechtigung so schwer? Warum durften sie sich nicht frei ihre Werkstätten aussuchen und wurden am liebsten in die Weberei abgedrängt?

Das fragt sich anscheinend auch das Fernsehen ganz dringend. Ehrenwert ist dieser Kampf für die Rechte der Bauhaus-Frauen allenfalls in Ansätzen - schon weil man sich ausmalen kann, woher er rührt: Beim Blick in den Jubiläumskalender grübeln Redaktionen und Produktionsfirmen so lange über die Frage, was man Neues aus Anlass von 100 Jahren Bauhaus erzählen kann, bis sie bei den Frauen angekommen sind. Hatte ja schon bei 500 Jahre Luther bzw. "Katharina Luther" so gut geklappt.

Melodram um Lottchen und Paulchen

So entsteht öffentlich-rechtlicher Pseudo-Feminismus, der sich in die Vergangenheit hineinempört, aber zur Gegenwart schweigt. Oder wann haben Sie in der Primetime von ARD und ZDF zuletzt den Namen einer zeitgenössischen Künstlerin gehört oder besser noch eines ihrer Kunstwerke gezeigt und erläutert bekommen? Wo sind die Porträts von Hito Steyerl, Rosemarie Trockel, Anne Imhoff?

Bei "Lotte am Bauhaus" ist zusätzlich schwer erträglich, dass der Film die Arbeiten von echten Künstlerinnen herunterspielt. Die erfundene Hauptfigur Lotte, die sich voll aufgesetzter Patentheit bis in die Architekturabteilung vorarbeitet und nicht wie die echten Bauhäuslerinnen mit dem Webstuhl arrangiert, präsentiert nämlich Entwürfe für Spielzeug und Kindermöbel, die es tatsächlich gab. Deren Schöpferin Alma Siedhoff-Buscher wird jedoch an keiner Stelle erwähnt.

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Bauhaus-Ikonen: Kugel, Kegel, Kubus

Foto: Klassik Stiftung Weimar/ Prestel

Andere Bauhäusler kommen mit Namen, aber ohne Werk vor, werden von künstlerischem Weltrang zu Statisten für das Melodram um "Lottchen" und "Paulchen" degradiert. So darf sich Anni Albers um das Kind des in die Krise geratenen Paares kümmern (jaja, Dörte Helm!), während Josef "Juppi" Albers im Kampf mit SA-Männern seinen Schneid beweisen muss.

Bildungsauftrag zum Verkitschungsbefehl umgedeutet ist nichts Neues bei ARD und ZDF, in diesem Fall hat es aber eine besonders perfide Qualität. Produziert wurde "Lotte am Bauhaus" nämlich von der Ufa Fiction. Während das Bauhaus 1933 auf Druck der Nazis geschlossen wurde, schaltete die Ufa im selben Jahr von Avantgarde auf Propaganda um. 2017 konnte die Ufa nach zahlreichen Umstrukturierungen, Neu-, Ein- und Ausgliederungen ihr tatsächliches hundertjähriges Bestehen feiern, während das Bauhaus auf 14 Jahre Existenz kam.

Dass ausgerechnet die Ufa Fiction nun die Geschichte des Bauhaus erzählen und in ihren revisionistischen Produktionskatalog vor "Unsere Mütter, unsere Väter" einsortieren darf, ist wahrscheinlich das Einzige, das an diesem unsäglichen Film Relevantes über deutsche Geschichte zum Ausdruck bringt.


"Lotte am Bauhaus", Mittwoch, 20.15 Uhr ARD